In puncto Sicherheit darf es keine Kompromisse geben – Deutschland muss einen Pharma-Qualitätsmarkt für Erwachsene anstreben
Deutschland hat die einmalige Gelegenheit, die Gestalt einer legitimen europäischen Cannabisindustrie aufzubauen, sagt Pia Marten von Cannovum.
Mit Europa stellt der legale Cannabismarkt der größte der Welt dar, Deutschland kann hierbei als First Mover eine Vorreiterrolle einnehmen.
Wir haben eine einzigartige Gelegenheit; Wir haben die Chance, einen gut regulierten Cannabis-Markt für Erwachsene aufzubauen.
Deutschland nimmt auf dem deutschen Markt für medizinisches Cannabis bereits eine Vorreiterrolle ein. Diese neue Gelegenheit könnte uns dazu bringen, den Maßstab für die zukünftige Regulierung von Cannabis für Erwachsene in der gesamten Europäischen Union zu schaffen. Um dies zu bewerkstelligen, sollten wir von anderen Ländern lernen. Einige haben die Regulierung gut umgesetzt, aber auch einige sind völlig gescheitert. Zum Beispiel die Niederlande, wo der Vertrieb legal ist, aber nicht der Anbau. Volljährige Konsumenten können also nicht abschätzen, welche Produktqualität sie bekommen.
Qualität und Sicherheit im Vordergrund
In der Schweiz werden ab Januar 2022 bereits städtische Modellprojekte eingeführt. Das ist möglicherweise nicht die beste Entscheidung für eine Legalisierung.
Einer der wichtigsten Grundsätze auf dem Weg in die Zukunft für Deutschland ist das Streben nach pharmazeutischer Qualität von Cannabis. Dies soll zum Maßstab für die Genusskonsum werden – in puncto Qualität und Sicherheit darf es hier keine Kompromisse geben.
Wir möchten sicherstellen, dass wir qualitativ hochwertiges Cannabis liefern. Wenn wir es schon für medizinische Zwecke tun können, sollte das auch für Cannabis für Genusszwecke bewerkstelligt werden. Es sollte auf ganzer Linie nach Pharmastandard (EU-GMP-Cannabis) gestrebt werden.
Obwohl Deutschland mit etwa 160.000 Patienten der größte Markt für medizinisches Cannabis in Europa ist, bleibt noch viel zu tun, um das Stigma rund um Cannabis abzubauen. Es ist immer noch ein großes Tabu in Deutschland. Aber dies wird sich im Laufe der Zeit ändern und wir werden eine größere Akzeptanz von sowohl medizinischem als auch Freizeit-Cannabis sehen. Wir müssen die Unterscheidung zwischen Genusskonsum und Medizin beibehalten. Während einige Selbstzahler zweifellos in den Freizeitmarkt wechseln werden, müssen wir sicherstellen, dass die Kosten für medizinische Patienten weiterhin erstattet werden.
Cannabiskontrollgesetz
Es sieht so aus, als ob das 2015 von den Grünen vorgestellte Cannabiskontrollgesetz zum Muster für Regulierungen werden wird. Scheinbar wird Cannabis einen ähnlichen Weg wie Tabak nachgehen. Es ist wichtig, die Verbraucher richtig aufzuklären – wir möchten nicht, dass Cannabis an Personen unter 18 ausgehändigt wird, und wir müssen die Benutzer über die Notwendigkeit des richtigen Cannabiskonsums und die potenziellen Gefahren im Zusammenhang mit Themen wie Sucht informieren.
Während der Veröffentlichung des Koalitionsvertrags wurden sog. „lizenzierte Geschäfte“ erwähnt, wo das zertifizierte Cannabis erworben werden soll. Die Idee ist interessant, einen eigenen Verkaufsraum einzurichten, in dem Verbraucher alle Informationen und Schulungen von speziell geschultem Personal erhalten, um ihre Kaufentscheidungen zu unterstützen. Aktuell gibt es in Deutschland rund 19.000 Apotheken, davon etwa 2.000 Stück die medizinisches Cannabis vertreiben und im Kern 200 bis 300, die über die notwendige Expertise in diesem Bereich verfügen. Der deutsche Apothekenverband spricht sich jedoch selbst gegen den Vertrieb von Cannabis für Erwachsene in Apotheken aus. Zum jetzigen Zeitpunkt wissen wir also nicht, wer das Einzelhandelsgesicht von Cannabis sein wird.
Es gibt einige Spekulationen, dass Großhändler wie Cannovum in der Lieferkette aufsteigen oder etablierte Einzelhändler versuchen werden, sich auf den Verkauf von Cannabis zu spezialisieren. Zu diesem Zeitpunkt kann man nicht abschätzen was passieren wird.
Vorsprung für medizinische Cannabisunternehmen
Sicherlich werden medizinische Cannabisunternehmen wie Cannovum einen Vorsprung für den Übergang in den Freizeitbereich haben. Sie haben die Infrastruktur aufgebaut, sie wissen wie man importiert – sie besitzen die nötigen Zertifikate und Lizenzen. Sie verfügen über die Lager und Logistik. Sie kennen die Züchter und haben die Produkte bereits zur Verfügung. Obwohl die logistischen Herausforderungen auf dem Markt für medizinisches Cannabis nichts im Vergleich zu denen des Freizeitmarktes sind, können wir bei diesem Prozess helfen.
Zum Thema Anbau gibt es in Deutschland gerade mal drei Produzenten (Aphria, Aurora und Demecan) mit der entsprechenden Lizenz, wobei das Cannabis in Bunkern angebaut wird. Es sollte eine Gesetzesänderung geben, die den Anbau von deutschem Cannabis in Gewächshäusern erlaubt, dennoch sollte man sich hier auf andere Segmente der Wertschöpfungskette konzentrieren.
Andere europäische Länder mit günstigeren Klimazonen können hier die besseren Lieferpartner sein. Im weiteren Verlauf sollte dies dazu beitragen, in ganz Europa zu mehr Harmonie bei den Regulierungen zu gelangen. In Bezug auf die Produktbeschaffung wird Synergien zwischen medizinischem Cannabis und Freizeitkonsum geben. Viele Cannabis-Unternehmen werden im medizinischen Bereich bleiben und in die Freizeit einsteigen um expandieren zu können.